Matthias Koenen
Theoretiker, Praktiker und Visionär
Matthias Koenen (1848 – 1924) gilt als der geistige Vater des Stahlbetonbaues in Deutschland. Nach einem Studium von 1868 – 1872 an der Berliner Bauakademie, der späteren Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, war er als Regierungsbauführer zunächst bei der Eisenbahnverwaltung, dann für die Wasserbauverwaltung tätig. 1879 bestand er die zweite Staatsprüfung und wurde zum Regierungsbaumeister ernannt. Koenen arbeitete als Zivilingenieur und erwarb sich früh einen Ruf als hervorragender Konstrukteur und Statiker. Sein Wissen gab er in Vorlesungen und frühen Veröffentlichungen weiter.
1884 beauftragte ihn die Bauverwaltung, die Bauleitung für den Rohbau des neuen Reichstagsgebäudes in Berlin zu übernehmen. Bei dieser Tätigkeit machte er Bekanntschaft mit G. A. Wayss, der ihn nach Abschluss der Bauarbeiten am 1. Juli 1888 als Technischen Direktor in sein Unternehmen Wayss & Cie holte. Schon am 20. November 1886 hatte Koenen die Berechnung bewehrter Platten im Centralblatt der Bauverwaltung veröffentlicht – die erste theoretische Abhandlung über die Wirkungsweise des Stahlbetons in Deutschland überhaupt -, wobei er die Aufnahme der Zugkräfte den Bewehrungsstäben zuordnete, die neutrale Achse aber fälschlicherweise in Plattenmitte legte. Diese grobe Vereinfachung korrigierte er 1902 in seiner Schrift: „Grundzüge für die statische Berechnung der Beton- und Eisenbetonbauten“.
Koenen leitete im Auftrag der Baupolizei die Berliner Versuche von Conrad Freytag und G. A. Wayss im Winter 1886/87 und er gilt als der eigentliche Verfasser der Monierbroschüre. Mit Rücksicht auf seine Anstellung im Staatsdienst hat er aber nur das Kapitel über die „Theorie einiger wichtiger Konstruktionen nach System Monier, Metallgerippe mit Cementumhüllung“ mit seinem Namen unterzeichnet.
Mattias Koenen übernahm nach dem Ausscheiden des rastlosen Wayss 1893 für mehr als 30 Jahre die Leitung des Unternehmens, das fortan als Beton- und Monierbau AG firmierte. Er hat großen Anteil an der Entwicklung und stürmischen Verbreitung des Stahlbetonbaus in Deutschland. In seiner 1907 erschienenen Schrift „Wie kann die Anwendung des Eisenbetonbaus in der Eisenbahnverwaltung wesentlich gefördert werden?“ findet sich ein früher Vorschlag der Spannbetonbauweise.